Sheer-Trend: Alles, was Sie über den aufsehenerregendsten Trend des Jahres wissen müssen
In letzter Zeit hat die Mode wenig der Fantasie überlassen: Wir denken dabei zum Beispiel an Hunter Schafers transparentes Vintage-Kleid aus der Frühjahr/Sommer-Kollektion 1997 von Prada, das sie zu den Costume Designers Guild Awards 2023 trug oder an Lily-Rose Depps Hommage an das Naked Dress von Kate Moss in der Frühjahrsausgabe der "i-D". Der Sheer-Trend sorgt aber nicht erst seit den 90er-Jahren für Diskussionen.
Alles begann mit den durchsichtigen Kleidern französischer Kurtisanen
Das "Portrait of a Young Woman in White" aus dem 18. Jahrhundert, das von einem unbekannten Künstler geschaffen wurde, erfreut sich aktuell als Titelbild des New York Time Bestsellers "Mein Jahr der Ruhe und Entspannung" von Ottessa Moshfegh erneut an großer Beliebtheit. Das Kunstwerk, auf dem die Brüste der Dargestellten durch eine hauchdünne Stoffschicht blitzen, ist ein Sinnbild für die Kleidung französischer Kurtisanen. Der Stil, den der Schriftsteller Louis-Sébastien Mercier als "à la sauvage" bezeichnete, "überließ es dem Betrachter nicht, zu erahnen, sondern jeden geheimen Reiz wahrzunehmen".
Nach der Französischen Revolution sorgten sogenannte Röntgen-Röcke für so viel Empörung
Und zwar so sehr, dass der Bürgermeister von Portland, Oregon, im Jahr 1913 anordnete, die Trägerinnen solcher Röcke zu verhaften. Das "Oregon Daily Journal" berichtete in dem Artikel von Bertha Hanscom, 30. Sie sagte der Zeitung: "Mein Mann ist ein altes Fossil… Ich bin für den Röntgen-Rock gemacht und werde ihn tragen. Er mag ihn nicht, aber das ist mir egal. Warte nur, bis ich mich scheiden lasse." (Ihr empörter Ehemann James, 60, sagte: "Bertha trug nicht nur durchsichtige Röcke, sondern auch Röcke mit einem Schlitz.")
10 Jahre später sicherte sich Stummfilmstar Clara Bow mit einem Sheer Dress in dem Film "My Lady of Whims" ihren Status als Sexsymbol
In dem Film spielte sie die Rolle von Prudence Severn – und als sie zu einem Kostümball eingeladen wurde, der unter dem Motto "Je weniger getragen, desto einfacher zu flicken" stand, nahm sie die Botschaft wortwörtlich. Das durchsichtige Kleid war ein echter Skandal und trug dazu bei, dass die Unterhaltungsindustrie eine Reihe von Zensurrichtlinien namens Hays Code einführte.
Und wer könnte Marilyn Monroes berühmtes "Happy Birthday, Mr. President"-Kleid vergessen, das sie 1962 trug. Danach hielten Stars wie Jane Birkin und Cher den kontroversen Look in den 60er-, 70er- und 80er-Jahren am Leben. Doch es waren die 90er-Jahre, die eine wahre Renaissance durchsichtiger Kleidung einleitete. Kein Wunder, schließlich passte diese Art von Kleidung, die sich gegen die antiquierte Vorstellung von Bescheidenheit auflehnte, wunderbar zum Grunge-Ethos. Und so schickten Modehäuser wie Alaïa, John Galliano, Jean Paul Gaultier, Prada und Atelier Versace verschiedene Varianten davon über den Laufsteg.
Die Entscheidung, den eigenen Körper zu zeigen, erfordert, sich verletzlich zu zeigen – und das wiederum erfordert eine unglaubliche Stärke
1998 trug Rose McGowan bei den VMAs ein mit Strasssteinen-besetztes Netzkleid über einem Tanga mit Leopardenmuster. 20 Jahre später erzählte sie Dr. Oz, dass dies ihr erster Auftritt auf dem roten Teppich war, nachdem sie 1997 von Harvey Weinstein vergewaltigt wurde: "Ich dachte: Ist es das, was du willst? Das war ein politisches Statement." Und Jennifer Lopez' legendäres grünes Versace-Kleid bei den Grammys 2000 – durchsichtig und mit tiefem Ausschnitt – löste so viele Internet-Suchanfragen aus, dass es zur Erfindung von Google Images führte. 2014 nahm Rihanna den CFDA Fashion Icon of the Year Award in einem transparenten Kleid von Adam Selman entgegen. Mit ihrer charakteristischen Mischung aus Selbstvertrauen und Frechheit wurde Rihanna zur perfekten Botschafterin für den Sheer-Trend, indem sie sich über Kritik hinwegsetzte und zu mehr Selbstbewusstsein ermutigte.
Heute ist der Sheer-Trend allgegenwärtig
Aufgrund seines politischen Momentums sind die Nackt-Kleider heute nicht mehr von den Laufstegen wegzudenken. Chanel, Nensi Dojaka, Prada, Ferragamo, Dion Lee, Rodarte, Emilia Wickstead, Heron Preston, Rick Owens, LaQuan Smith und Y/Project gehören zu den Labels, die in den letzten Kollektionen mit transparenten Stoffen experimentiert haben.
Diese Stoffe sind nicht nur auf den Laufstegen beliebt: Ciara, Janelle Monáe, Emily Ratajkowski, Ashley Graham, Julia Garner, Daisy Edgar-Jones, Emma Chamberlain und Hailee Steinfeld entschieden sich alle für transparente Kleider bei der diesjährigen "Vanity Fair"-Oscar-Party. Sogar Männer machen bei diesem Trend mit: Austin Butler und Shawn Mendes zeigten sich jeweils in einem Hemd aus einem durchscheinenden Stoff.
Obwohl der Look immer beliebter wird, sorgt er noch immer für Aufsehen
Als Florence Pugh 2022 die Haute-Couture-Show von Valentino in einem durchsichtigen, pinkfarbenen Kleid besuchte, wurde sie dafür in den sozialen Medien angefeindet. Sie antwortete darauf mit: "Warum habt ihr so viel Angst vor Brüsten?" Florence, wir verstehen es auch nicht. Aber solche Kommentare sind heutzutage glücklicherweise in der Minderheit – heute sind selbst Normalos dazu geneigt, alles zu zeigen. Und warum auch nicht? Letztlich kann der hauchdünne Stoff sexy, subversiv und empowernd sein.
Der Recap in Bildern:
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf Vogue.com.